Grundsteinurkunde der Synagoge

Urkunde

Im Jahr der Welt 5627 den 17 ten Iar,
nach üblicher Zeitrechnung den 22. Mai
1867, wurde hier zu Leutershausen der Grund-
stein zu einer neuen Synagoge gelegt u. diese
Urkunde einverleibt.

Die bisherige Synagoge, welche als
Eigenthum der isr. Gemeinde einen Theil des
Hauses des Hirsch Hirsch ausmachte, im
Jahr der Welt 5561, also vor sechzig sechs
Jahre durch Vergrößerung der noch ältern
Synagoge erbaut u.  ת נצביםשרפ  eingeweiht, war
für die isr. Gemeinde zu klein geworden u. konnte
nicht mehr den Anforderungen eines Gottes-
hauses entsprechen. Während bei der Reno-
virung derselben, also vor 66 Jahren, die isr. Ge-
meinde achtzehn Familienhäupter zählte, ist bis
heute ihre Zahl auf fünf u. dreißig heran-
gewachsen, welche hier nach ihrer Verheirath-
ung in Reihenfolge aufgezählt sind:

David Flegenheimer, Moses Fath, Maier Fle-
genheimer, Rubin Haarburger, Moses Flegen-
heimer, Götz Hirsch, Jackob Haarburger, Moses
Haarburger, Löb Eppsteiner, Marx Flegenheimer,

Hirsch Hirsch I., Samuel Löb Jackobi, Isaak
Straßburger, Salomon Jackobi, Maier Maier,
Lazerus Kaufmann, Abraham Jackobi, Baruch
Kaufmann, Rubin Heß, Lazerus Maier,
Löb Maier, Löb Kaufmann, Josel Hirsch,
Joseph Fath, Jona Straßburger, Herz
Kaufmann, Maier Haarburger I., Ascher Löb
Gutmann, Jackob Löb Straßburger, Simon
Jesajas, Joseph Schriesheimer W., Abraham
Schriesheimer W., Marx Schriesheimer W.,
Salomon Hirsch W. Die Gesamtseelenzahl be-
trug nach neuester Volkszählung einhundert
sechzig u. fünf. Die Synagogenräthe waren
Lazerus Maier, Marx Flegenheimer & Jonas
Straßburger. Die ihm beigeordnete Bauco-
misäre waren: Hirsch Hirsch I., Maier
Haarburger I. u. Herz Schriesheimer II.
Baufondverrechner war Lazerus Kaufmann,
Gemeinderechner Jac. Löb Straßburger.
Als Bezirksrabbiner war im Amte Salomon
Fürst. – Die isr. Volksschule bestand
aus zwei u. dreißig Kinder. Der ange-
stellte Lehrer war Jacob Hirsch Benja-
min, vulgo Marx, aus Königsbach, Amts

Durlach. Das Amt der Ortsschulräthe bekleideten
Laz. Kaufmann, Hirsch Hirsch I. u. Jonas Straß-
burger.
Der Baufond wurde gebildet durch freiwillige
Zeichnungen, durch das Legat des in Lützel-
sachsen verst. Emanuel Neu II., durch ein
Collekte, Opfergaben u. Zuschüsse der Vereine.
Den nicht zu deckenden Theil übernahm die
isr. Gemeindekasse. Die Baukosten mögen
sich einschließlich des Platzes, welcher fl. 1200
kostete, u. der Utensilien auf fl. 8500 belaufen.
Den Plan zur Synagoge entwarf Baumeis-
ter Philipp Schmitt in Mannheim, welchem
auch die Leitung übertragen war.
Die Arbeitübernehmer waren: Rudolph
Sommer, Maurer von Weinheim, Georg
Lipp, Steinhauer von Waldmichelbach, Philipp
Eppel, Zimmermann von Großsachsen, Anton
Braseuer, Schieferdecker in Mannheim, Peter
Bitzel, Spengler von hier, Franz Beck, Schrei-
ner, Michael Krauß, Schlosser, Jackob
Engel, Tüncher, sämtlich von Ladenburg,
Konrad Geißinger, Glaser von Weinheim.

Das Vereinswesen, so wie die übrigen Gemeinde-
einrichtungen, als auch der Vermögensstand
waren befriedigend.
Die ganze Einwohnerzahl (der Gemeinde) des
Ortes betrug eintausendvierhundertdreißig
u. drei. Evang. 763, kath. 505.
Der hier residirende Grundherr war:
Wilhelm Graf v. Wiser.
Bürgermeister war: Peter Pfrang, Ge-
meinderäthe: Michael Schulz, Georg Kolb,
Jackob Bock. Rathschreiber: Philipp Stein
aus Lützelsachsen. Gemeinderechner: Micha-
el Schröder. Rentamtmann: Christoph
Rittinger. Der evang. Geistliche war
Ph. Friedrich Keerl. Der kath. Geistliche
war Wilhelm Weinzel. Die ev. Schule
zählte 236 Kinder, ihr Lehrer war Abra-
ham Reinhard u. als Hilfslehrer dessen
Sohn Adam Reinhard. Die kath. Schule zähl-
te 74 Kinder, ihr Lehrer war Karl Walch.
Die evang. Kirchenvorstände waren: Georg
Bletzer, Johann Schulz, Martin Bletzer I.,
Fiedrich Bitzel, Falentin Bauer.
Kath. Stiftungsvorst. waren: Ph. Peter

Geisler, Johs. Pfisterer, Georg Kolb u. Franz
Sattler.
Durch gute Verwaltung, durch Verbesserung
der Feld- u. Waldkultur, durch guten Betrieb
des Feldbaues, Gewerb u. Handel konnte
sich der Ort des Wohlstandes erfreuen.
Sittlichkeit, Mäßigkeit u. Friedensliebe, be-
sonders religiöse Duldung sind die Charak-
tere der Einwohner.
Unter der glorreichen Regierung unseres
Landesfürsten Großherzog Friedrich
fühlte sich das Land glücklich. Seine reine
constitutionelle Gesinnungen, seine edlen
u. weisen Gesetze machten ihn zum Liebling
des Volkes. Sein Namen strahlt allverehrt
als helleuchtender Stern im Kranze euro-
päischer Fürsten. Die bürgerliche Gleichstellung,
welche er seinen isr. Unterthanen am 15 t. Okt. 1862 verlieh, haben
dieselben zum ewigen Dank verpflichtet.
Die Geschicke Deutschlands, dass es ein einiges
freies Volk sei, war im Werden begriffen.
Es hat sich durch den im Kriege v. J. errungenen
Nordbund ein starker Kern gebildet, dem
sich die übrigen Staaten anschließen werden,

u. so innen und außen gekräftigt, wird Völker-
glück entstehen.
So möge Gott mit uns sein, über den Ort
u. seine Bewohner wachen. Möge dieses
Gotteshaus in seiner besondern Hut stehen
u. seine Augen über dasselbe geöffnet sein
Tag u. Nacht.
Möge diese Urkunde das zukünftige Ge-
schlecht belehren, dass es treu zum Glauben
der Väter stehe u. für dieses höchste Gut
wie die Ahnen alle Opfer bringe u. in
sittlicher Fortschreitung Heil u. Segen
bereite.
     Amen, es werde wahr,
    
Amen, es werde wahr.
Diese Urkunde wurde verfaßt u. geschrie-
ben von J. H. Marx, Hauptlehrer.
Gedenke mir es Gott zum Guten.

(Gemeindearchiv Hirschberg. Archiv neu 373.200; Transkription Rainer Gutjahr)

Iar

IJar  = neunter Monat im jüdischen Kalender (April/Mai)

ת נצביםשרפ     

 

= Nizawim [51. Wochenabschnitt (Parascha) im jüdischen Kalender]

Der Arbeitskreis dankt Rainer Gutjahr für das Einscannen der Urkunde und die Transkription des Textes.